Veröffentlichungen des Firmengründers

Enterprise Resource Planning –Herausforderung ERP-ProjekteDownload-PDF (PDF 500KB)

Ein Kommentar von Jürgen Finger zur ERP-Einführung
aus der Internet-Zeitschrift Open Business Network, Oktober 2007

Die Durchführung von Enterprise Resource Planning (ERP) und Produktionsplanungs- und Steuerungsprojekten (PPS) stellt Spezialanforderungen, die nicht unbedingt zum Kerngeschäft des Unternehmens gehören. Deshalb kann es von Nutzen sein, externe Spezialisten zu engagieren.

Diese erledigen die anstehenden Aufgaben möglicherweise in 10 Jahren nicht nur einmal, sondern jährlich mehrmals und verfügen dadurch über weit reichende, praktische Erfahrungen. Die Ergebnisse können sich in der Praxis sehen lassen: Kosten werden transparenter, hohe Flexibilität hält Einzug im Unternehmen und Kostensenkungs-Potentiale werden nutzbar. Praktische Erfahrungen zeigen wiederkehrend sieben Herausforderungen bei ERP-Projekten auf, welche mal stärker und mal weniger stark ausgeprägt auftreten.

Die Messlatte für ERP-Standardsysteme reicht immer höher und die Systeme selbst verbessern sich dadurch in ihrer Funktionalität. Die Integration der Funktionen schreitet fort und mit ihr aber auch die Komplexität der Systeme. Ermöglicht wird dies auch durch die rasante Weiterentwicklung der EDV-Technologie. Diese Tatsache fordert aber auch eine gekonnte, professionelle Umsetzung der Projekte im Unternehmen.


1. Klare Strategie

Bei ERP-Projekten handelt es sich um Großprojekte. Das erfordert eine eindeutige, klar definierte Projektstrategie und eine gezielte und konsequente Durchführung, um in einem angemessenen Zeitfenster zum Erfolg zu führen und um mit kalkulierbaren, aber auch vertretbaren Kosten abzuwickeln.


2. Einbindung der Geschäftsleitung

ERP-Projekte betreffen das Gesamtunternehmen. Das oberste Gebot stellt daher die Integration der Geschäftsleitung dar. Nur wenn der Unternehmenskapitän das Projekt initiiert und voll einbezogen ist und die Gesamtverantwortung für das Gelingen übernimmt, stimmt der Kurs Richtung Zielhafen.


3. Der Mensch im Mittelpunkt

Die größte Herausforderung bei unternehmerischen Veränderungen stellt der Mensch selbst dar. Nur das reibungslose Zusammenwirken aller im Unternehmen garantiert den Erfolg. Dabei sind die Mitarbeiter in den letzten Jahrzehnten sehr viel mündiger und selbstbewusster geworden. Das bedeutet, dass die meisten von Ihnen sehr wohl Vorstellungen darüber haben, wie sie ihre Arbeit organisieren wollen. Das ist gut so, aber das bedeutet auch, dass in der arbeitsteiligen Berufswelt eine Abstimmung über die Abläufe im Unternehmen zu erfolgen hat. In einer prozessorientierten Arbeitswelt, wie sie heute vorliegt, kann sich keine Abteilung mehr autonom organisieren. Demnach gilt es, alle beteiligten Abteilungen in das Projekt mit einzubeziehen. Einerseits sind Abteilungsinteressen und -zielsetzungen oft zwangsläufig gegenläufig. Andererseits aber sollten alle Abteilungen gleichermaßen mit dem künftigen System arbeiten können. Ergebnisse in einem Projektteam zu erarbeiten, setzt einen fachlich versierten Moderator voraus, der gleichzeitig das Team ziel- und ergebnisorientiert führt.


4. Akzeptanz der Veränderung

Die Einführung eines integrierten ERP-Systems schafft zwangsläufig einschneidende Veränderungen in der Arbeitsweise für den einzelnen Mitarbeiter. Die meisten Menschen haben Angst davor, weil sie fürchten, dass sie dem neuen Anforderungsprofil nicht gewachsen sein werden. Diesem Phänomen muss schon im Vorfeld Rechnung getragen werden. Das leistet z.B.
  • ein Projektteam, dessen Mitglieder ihre Kollegen ständig über die Projektarbeit informieren und eine Rückkopplung in die Projektarbeit einbringen
  • eine gezielte Informationspolitik der Geschäftsleitung und
  • eine ausreichende Anwenderschulung
um nur einige Eckpunkte zu nennen.


5. Projektorganisation/Projektmanagement

Für die Dauer des Projekts – im Regelfall über 12 bis 15 Monate – wird eine Organisation aus Projektleitung, Lenkungsausschuss und Projektteam eingerichtet:
  • Projektleitung direkt der Geschäftsleitung unterstellt
  • Lenkungsausschuss Geschäftsleitung Unternehmen, Geschäftsleitung Softwarehaus, 1 bis 2 Vertreter der Abteilungsleiter
  • Projektteam
    1. Phase Softwareauswahl:
      Abteilungsleiter
    2. Phase Realisierung:
      Mitarbeiter der Abteilungen, Key-User
Es wird ein Projektteam aus Mitarbeitern der einzelnen Bereiche und Abteilungen (max. 10 Personen) gebildet, das unter der Führung eines kompetenten und erfahrenen Projektleiters abwickelt. Der Erfolg steht und fällt mit der Person des Projektleiters. An ihn werden hohe Anforderungen gestellt. Er muss nicht nur fachlich kompetent sein, sondern auch über Überzeugungskraft verfügen und viel von Moderation und Menschenführung verstehen und diese praktizieren können.
Nach dem Motto: "Der Prophet im eigenen Land hat es schwer" ist jedes Unternehmen gut beraten, dazu einen "externen Moderator" zu engagieren.


6. Softwareauswahl

In der Praxis wird immer wieder die Softwareauswahl ohne ausreichende Vorbereitung begonnen. Das führt dazu, dass nach einiger Zeit die Verwirrung über die geeignete Standardsoftware für das Unternehmen wächst. Wenn nicht klar definiert ist, was im Einzelnen benötigt wird, ist es schier unmöglich, den richtigen Kurs zu steuern. Es ist daher unabdingbar, dass sich das Projektteam mental auf die Software-Suche und das Gesamtprojekt vorbereitet.


7. Geschäftsprozesse

Die Einführung integrierter EDV-Systeme setzt voraus, dass die Mitarbeiter wieder lernen, in Prozessen zu denken. Eine hervorragende Übung hierfür ist die gemeinsame Beschäftigung mit den künftigen Geschäftsprozessen und deren Festlegung.
Die Mitarbeiter finden hier die einmalige Gelegenheit, aus dem Abteilungsdenken herauszukommen und zu lernen, wieder ganzheitlich zu denken und zu handeln. Die Einstellung zur Abwicklungen von Aufträgen verändert sich dadurch, wodurch künftig die Durchlaufzeiten drastisch reduziert werden können. In unserer schnelllebigen Zeit ist dies ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Unternehmen. Bei der Einführung von ERP-Standard-Software macht es Sinn, vor der Auswahl die Prozesse nur grob darzustellen, weil in jeder guten Software ein Organisationskonzept bereits enthalten ist. Die Verfeinerung erfolgt erst im Zusammenhang mit der ausgewählten Software in der Realisierungs- und Einführungsphase.

Abgeleitet aus den Diskussionen über die künftigen Geschäftsprozesse (grob) und die speziellen Sonderthemen lässt sich dann ein Anforderungskatalog zusammenstellen. Der Katalog stellt eine strukturierte Aufzählung aller Funktionen dar, die von der Software im Sinne des Unternehmens zu erfüllen sind. Der Anforderungskatalog beschreibt die einzelnen Funktionen nicht, sondern zählt sie nur auf. Es werden keine Lösungen formuliert, sondern allenfalls Ansätze dazu.
Der Anforderungskatalog unterscheidet sich demnach grundlegend von einem Pflichtenheft, wie es bei der Erstellung von Individualsoftware benötigt wird. Im Anschluss werden in einer Brainstormingsitzung des Projektteams die Anforderungen des Katalogs ergänzt.


8. Bewertung der Systeme

Der Vergleich und die Bewertung komplexer EDV-Systeme bereitet, da nahezu keine quantifizierbaren Entscheidungskriterien gegeben sind, Schwierigkeiten. Es empfiehlt sich, hier sehr methodisch vorzugehen. Zur Bewertung der Systeme dient die "Nutzwertanalyse".
Der entscheidende Faktor für die Bewertung der Systeme ist die Differenzierung nach sehr wichtigen und nach weniger wichtigen Funktionen (Anforderungen). Die Teammitglieder müssen in einer gemeinsamen Projektsitzung eine entsprechende Gewichtung vornehmen. Im Anschluss an Präsentationen und Workshops werden Bewertungen durch das Projektteam durchgeführt, die darüber entscheiden, welches System letztlich der Geschäftsleitung zur Einführung vorgeschlagen wird.


9. Fazit

Neben den erforderlichen Fach- und Projekt-Kenntnissen spielt auch die menschliche Komponente eine bedeutende Rolle. Externen fällt es leichter, eine heterogene Gruppe wie ein Projektteam in ERP-Projekten zu fachlichen Kompromiss-Lösungen zu führen als einem Mitarbeiter. Der Einsatz eines externen Spezialisten führt nicht nur schneller zu brauchbaren Lösungen, mit denen alle gleichermaßen arbeiten können, sondern er reduziert auch die Diskussionen über Sachfragen und damit die Durchlaufzeit des Projekts und damit die Kosten. Werden die relevanten Herausforderungen beachtet, wird das Unternehmens-Schiff zügig auf Erfolg versprechenden Kurs gebracht.

Jürgen Finger, Dipl-Kfm., Unternehmensberater.