Veröffentlichungen des Firmengründers

ERP: Strategie ist das A und 0
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Ein Interview von Claus Wilk mit Jürgen Finger
aus der Zeitschrift Produktion Nr. 36/2004

ERP-/PPS-Systeme gibt es wie Sand am Meer. Um so wichtiger ist es für Unternehmen, sich vor Investitionen Klarheit über die eigene Ausgangssituation zu verschaffen. Produktion sprach hierüber mit dem PPS-Spezialisten Jürgen Finger.


Macht es aus Ihrer Sicht Sinn, eine PPS-Software einzuführen oder sollte gleich das Thema ERP abgehandelt werden?

Bei der Einführung einer Standard-Software ist es wichtig, eine Gesamtkonzeption im Sinne "Enterprise Ressource Planning" (ERP) zu erstellen.
Es müssen auch die Fragen der Finanzbuchhalung, der Kostenrechnung, des Controllings und eines Management-Informationssystems einbezogen werden. Eine solche Konzeption muss ausgehen von den strategischen Unternehmenszielen und den daraus abgeleiteten Einzelzielen. Sonst läuft jedes Unternehmen Gefahr, eine integrierte Gesamtlösung nicht zu erreichen. Bezüglich der Frage des Einsatzes entsprechender Software kann ich keine generelle Antwort für alle Unternehmen geben, weil die Situation in jedem Unternehmen anders ist. Eine ganze Reihe von Unternehmen hat in ERP-Teilbereichen, insbesondere in der kaufmännischen Verwaltung, ausreichend gute Software im Einsatz, die nicht deswegen abgelöst werden muss, weil jetzt ERP angesagt ist.


Worauf sollten Anwenderunternehmen bei der Auswahl eines ERP-/PPS Systems insbesondere achten?

Die Auswahl geeigneter Standardsoftware ist für den Nichtfachmann Schwerarbeit. Ich möchte deswegen darauf hinweisen, dass ohne eine intensive Vorbereitung des Auswahlverfahrens kein Erfolg beschieden sein wird. Ich erkenne diese Probleme immer daran, wenn Kunden sagen, sie hätten sich schon einige Systeme angeschaut, kamen aber zu keinem Ergebnis. Wenn ich dann nach der Vorbereitung frage, sieht diese meist spärlich aus.


Was empfehlen Sie dann?

Ein Projektteam bilden, das gemeinsam – Betonung liegt auf gemeinsam – die groben Geschäftsprozesse formuliert und festlegt, und das insbesondere auch zu Veränderungen bereit ist oder diese gezielt anstrebt. Ausgangspunkte sind die strategischen Unternehmensziele der Geschäftsleitung. Von der Geschäftsleitung muss der Wille zum Wandel ausgehen. Im nächsten Schritt der Vorbereitung wird ein Anforderungskatalog erstellt. Dieser stellt eine Aufzählung aller Funktionen dar, die für die Abwicklung der definierten Geschäftsprozesse benötigt werden. Auch hier gilt das Gleiche wie bei der Erstellung der Geschäftsprozesse: Eine detaillierte Beschreibung der Funktionen ist unnötig, denn sie kann zu kostspieligen Anpassungen führen. Erst wenn diese Arbeiten vom Anwender erledigt sind, macht es Sinn, sich auf dem Softwaremarkt umzuschauen und mit Softwarehäusern Präsentationen zu vereinbaren. Diese sind allerdings allein noch nicht ausreichend, um eine gute Entscheidung treffen zu können. Erst in einem Workshop mit eigenen Unternehmensdaten kann der künftige Anwender die internen Verfahrensweisen des Systems kennen lernen.


Wer sollte bei derartigen Projekten seitens des Anwenderunternehmens den Hut aufhaben?

Projekte dieses Ausmaßes, die das gesamte Unternehmen betreffen, erfordern die volle Unterstützung der gesamten Geschäftsleitung. Sie muss die Initialzündung geben und muss die strategischen Unternehmensziele definieren und als Projektziele vorgeben. Bei einer Pluralinstanz in der Geschäftsleitung muss unter den Mitgliedern Einigkeit über die Zielsetzungen bestehen. Ein Mitglied muss die Gesamtverantwortung für die Durchführung des Projekts übernehmen.


Wie kann ein Unternehmen im Vorfeld einer ERP-/PPS-Implementierung dafür sorgen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen?

Die Kosten laufen in einem ERP-/PPS-Projekt immer dann aus dem Ruder, wenn zu Beginn nicht eindeutig klar ist, wo die Reise hingehen soll. Die Geschäftsleitung muss ihre Unternehmensstrategie klar definieren, um daraus für das Projekt die Ziele definieren und den Rahmen abstecken zu können.


…und wie lässt sich feststellen, ob sich die ganze Sache gerechnet hat?

Für ERP-/PPS-Systeme können keine Wirtschaftlichkeitsrechnungen wie z.B. für einen Investitionsgüterkauf aufgestellt werden, weil die meisten Entscheidungskriterien nicht quantifizierbar sind. Für Kriterien wie beispielsweise die Verkürzung der Durchlaufzeit von Aufträgen, die Verbesserung der Lieferbereitschaft oder die Verbesserung der Kapazitätsauslastung lassen sich zwar prozentuale Annahmen formulieren, aber diese in konkrete Mengen und Werte umzusetzen ist kaum möglich.


Jürgen Finger, Dipl-Kfm., Unternehmensberater.