Veröffentlichungen des Firmengründers

"Der Faktor Mensch" in ERP-ProjektenDownload-PDF (PDF 500KB)


1. Situation

Die Softwareauswahl, die Realisierung und Einführung von ERP-Systemen verlangt aufgrund ihrer Komplexität eine ganz besondere Vorgehensweise in den Projekten. Ausschlaggebend für diese Aussage ist die Tatsache, dass immer das ganze Unternehmen betroffen ist: von der Geschäftsführung bis zum Mitarbeiter an der Maschine.
Change-Management ist angesagt.


2. Ziel

Es muss das Ziel sein, alle Mitarbeiter von Anfang an in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Die Mitarbeiter müssen am Ende des Prozesses der Einführung und Realisierung die Gewissheit haben, dass sie an der Veränderung teilgenommen haben und dass gemeinsam ein Werkzeug geschaffen wurde, mit dem jeder Einzelne seine Arbeit "gut" oder zumindest "zufriedenstellend" erledigen kann und er mit dem Einsatz dieses Werkzeugs an seinem Arbeitsplatz Erfolg haben wird.
Nur wenn das erreicht wird, wird das Unternehmen mit der enormen Investition den Nutzen erzielen, der erforderlich ist, um das Unternehmen auf die Zukunft in unsicheren Märkten vorzubereiten.


3. Veränderungen für die Menschen

Eine große Anzahl Menschen scheut Veränderungen, weil es für sie ungewiss ist, was auf sie zukommen wird. Dies gilt insbesondere auch für die Mitarbeiter der Unternehmen. Im Privatbereich kann jeder machen was er für richtig hält. Dies gilt aber nicht gleichermaßen für die Mitarbeiter eines Unternehmens.
Unternehmungen können es sich bei schnelllebigen Märkten nicht erlauben, auf Anpassungen, Veränderungen – auch in der Organisation – entsprechend den Anforderungen des Marktes, zu verzichten. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, ohne das Mitwirken der Mitarbeiter Veränderungen durchzusetzen zu wollen.
Wie muss unter diesem Gesichtspunkt der externe Berater in komplexen ERP-Projekten vorgehen, um gemeinsam mit dem Unternehmen in einer angemessenen Zeit und mit kalkulierbaren Kosten das Projektziel zu erreichen?


4. Projektstrategie

Es muss eine Beratungsstrategie gewählt werden, die die Mitarbeiter eines Unternehmens voll in den Entscheidungs- und den Realisierungsprozess einbezieht, auf die organisatorischen Veränderungen vorbereitet und somit sukzessive die Akzeptanz für das neue System aufbaut.


5. Mentale Vorbereitung

Aus dieser Zielsetzung muss abgeleitet werden, dass sich die Mitwirkenden des Projektteams mental auf die Thematik "ERP", auf die Gesamtzusammenhänge und intern festgelegten Konzeptionen dieser Systeme, auf die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitsabläufe (Definition einer Konzeption der Geschäftsprozesse) und auf die Entscheidung über ein geeignetes künftiges System (Softwareauswahl) vorbereiten müssen. Sie müssen lernen, wieder ganzheitlich im Sinne des Gesamtunternehmens zu denken und sie müssen lernen, wie eine Entscheidungsfindung gestaltet werden muss, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen.
Die nachfolgend dargestellten Projektschritte unterstützen diesen Lernprozess.


6. Zusammensetzung der Projektteams

Für die Softwareauswahl wird ein Projektteam aus den Führungskräften des Unternehmens gegründet, das die ersten Stufen des Projekts gemeinsam mit dem Projektleiter und dem externen Berater, der auch Projektleiter sein kann, gestaltet. Der externe Berater muss als "Berater, Moderator und Trainer" fungieren (Prof. Peschanel "Linkshänder sind besser???", München: Universitas Verlag 1990). Nach der Entscheidung über ein geeignetes System wird für die Realisierungsphase ein Projektteam aus Mitarbeitern der Führungskräfte gebildet.
Mit dieser Strategie gelingt es im Laufe des Projekts Mitarbeiter aller Ebenen des Unternehmens (Führungskräfte und Mitarbeiter) in den Gesamtprozess einzubeziehen.


7. Softwareauswahl und Entscheidungsfindung

Wenn der Faktor "Mensch" im Rahmen von ERP-Projekten akzeptiert und ernst genommen wird, macht es für einen externen Berater keinen Sinn, vorgefertigte, "standardisierte Checklisten" (oder "standardisierte Anforderungskataloge") für die Entscheidungsfindung vorzulegen und beantworten zu lassen. In den meisten Unternehmen kennen die Mitarbeiter die Gesamt-zusammenhänge der industriellen Geschäftsprozesse ihres Unternehmens und damit eines ERP-Systems zu wenig. Mit der Beantwortung der Fragen der Checklisten sind sie am Ende auch nicht schlauer und können keine zufriedenstellende Entscheidung fällen.

Welches ist aber der richtige Weg, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen?

Die Anforderungen an das künftige ERP-System müssen im Projektteam gemeinsam erarbeitet und definiert werden. Dies geschieht am besten über die Diskussion und Festlegung der künftigen Geschäftsprozesse. Dabei ist allerdings zu beachten, dass jede gute ERP-Standard-Software ein ausgefeiltes Konzept beinhaltet, so dass die Geschäftsprozesse vor der Softwareauswahl nur grob als Richtschnur definiert werden sollten. Werden die Geschäftsprozesse vor der Softwareauswahl zu detailliert beschrieben, findet man entweder kein geeignetes Standard-System oder es treten in der Realisierungsphase und Implementierungsphase des ausgewählten Softwaresystems Probleme auf, weil die Software andere Wege vorgesehen hat, als in den Soll-Prozessen vorgesehen. Die Feingestaltung der Prozesse kann also sinnvoller Weise erst in der Implementierungsphase in Verbindung mit dem gewählten Standard-System erfolgen.

Während der Beschäftigung mit den groben Geschäftsprozessen werden bereits die Anforderungen an die Software sichtbar. Diese werden festgehalten und im Rahmen eines Brainstormings vervollständigt. Alle Anforderungen werden strukturiert im Anforderungskatalog dargestellt und dienen zusammengefasst als Grundlage für die Entscheidungsfindung mittels der Durchführung einer Nutzwertanalyse.


8. Realisierung und Einführung

In der 2. Phase der ERP-Projekte – der Realisierung und Einführung – spielt der Faktor Mensch vielleicht eine noch wichtigere Rolle, weil es darum geht, das ausgewählte Standard-System mit Leben zu füllen und im Unternehmen einzuführen. In dieser Phase werden die Mitarbeiter benötigt, um spezifische Details des Unternehmens in die Konzeption einzubringen, ohne den Standard über Gebühr verändern zu müssen. Der Berater wird seine Beratungsstrategie fortsetzen und wird alle Detailarbeiten vor allem in der Konzeptionsphase (Feindefinition der Geschäftsprozesse in Verbindung mit der Software) gemeinsam mit den Mitgliedern des Projektteams und dem Softwarehaus erarbeiten. Er wird auch hier als "Berater – Moderator – Trainer" fungieren.


9. Fazit

"Der Mensch" ist der Erfolgsfaktor Nummer "1" in ERP-Projekten. Die sachlichen Herausforderungen können gelöst werden. Die "echten" Probleme gehen dagegen in aller Regel von einzelnen Mitarbeitern oder dem Zusammenwirken von Mitarbeiter aus.
Es muss gelingen, die Mitarbeiter in den gesamten Entscheidungsprozess voll einzubeziehen, um damit die Akzeptanz für die Veränderungen im Unternehmen und für die neue Standard-Software zu erreichen.

Gelingt dies, dann wird die enorme Investition mit Gewissheit zum Erfolg führen!

Jürgen Finger, Dipl-Kfm., Unternehmensberater.